Gegen das Vergessen: Internationaler Tag des Gedenkens der Opfer des Holocaust
Am 27.01.2022 gedachten die Mitglieder unserer Abteilung der SPD rund um den Lietzensee der Opfer des Nationalsozialismus. Anlässlich des Tags der Befreiung von Auschwitz und somit dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust trafen wir uns dazu am Treblinka Mahnmal, welches gegenüber vom Amtsgericht Charlottenburg und somit mitten in unserem Abteilungsgebiet liegt.
Am Nachmittag des 27. Januar 1945 wurden die Tore zur Hölle des Konzentrationslagers Auschwitz geöffnet. Das Vernichtungslager wurde durch die Rote Armee befreit.
In der Nacht zuvor hatten SS-Truppen das letzte Großkrematorium in Auschwitz-Birkenau gesprengt. Zehntausende KZ-Häftlinge waren vorher bei Todesmärschen ums Leben gekommen.
Im Jahr 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den Tag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee als Gedenktag proklamiert. Seitdem erinnert dieser Tag an die Opfer der Verfolgung und Ermordung durch das NS-Regime.
Auschwitz steht wie kaum ein anderer Ort für das schlimmste Verbrechen, das man sich vorstellen kann: das fabrikartig organisierte, industrielle Morden der Nazis.
Auschwitz war aber nicht der einzige Ort, an dem diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. In der Zeit zwischen 1936 und 1945 umfasst das System der Konzentrationslager in Europa rund 24 sogenannte Hauptlager und mehr als 1.000 sogenannte Außenlager. Eines dieser Hauptlager war Treblinka, nordöstlich von Warschau.
Das Mahnmal, an dem sich unsere Abteilung traf, wurde genau für jene Opfer errichtet, die in diesem Konzentrationslager misshandelt und ermordet wurden. Es wurde 1966 von dem russische Bildhauer Vadim Sidur geschaffen und zeigt aufeinandergetürmte, menschliche Körper in abstrahierter Form. 1979 wurde es dann dauerhaft auf dem Amtsgerichtsplatz aufgestellt. Seit 1986 ist zusätzlich eine Mahntafel in das Pflaster eingelassen.
Der Baubefehl zur Errichtung des Vernichtungslagers Treblinka wurde im April 1942 durch Reichsführer SS, Heinrich Himmler, erteilt. Es war das letzte und größte Vernichtungslager der Aktion „Reinhardt“ – der Tarnname für die systematische Ermordung aller Juden und Roma im Generalgouvernement des von Deutschen besetzten Polens. Insgesamt fielen der Aktion Reinhardt zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 etwa 1,6 bis 1,8 Millionen Juden sowie rund 50.000 Roma zum Opfer. Allein in Treblinka gehen Schätzungen von über 900.000 Opfern aus. Und das in weniger als 15 Monaten. Unvorstellbare Zahlen. Unvorstellbare Dimensionen. Unvorstellbare Entmenschlichung und industrielle Effizienz. Unvorstellbare Schuld.
Zunächst wurden drei Gaskammern in Treblinka errichtet mit einer Fläche von 48m2. Zwischen August und Oktober 1942 wurden zehn weitere Gaskammern errichtet mit insgesamt 320m2 Grundfläche. So konnten zur gleichen Zeit Menschen aus 20 Eisenbahnwaggons ermordet werden. Es hielten so viele Züge in Treblinka, dass das Aussteigen der Menschen mit Peitschenschlägen, Schlägen mit Gewehrkolben und Schüssen durch die Wachmannschaften beschleunigt wurde. Nicht alle wurden zu den Gaskammern geführt. Geschwächte, ältere oder verletzte Personen wurden früh identifiziert und in das sogenannte „Lazarett“ geführt. Unter der Behauptung ein, Arzt käme gleich zur Untersuchung, zogen die Häftlinge sich aus. Sie wurden nackt in Gruben geworfen und so lange auf sie geschossen, bis sie sich nicht mehr bewegten. Später nutzte die SS Genickschüsse. Die Häftlinge knieten vor der Grube und schauten auf die Leichen, zu denen sie nun auch gehören würden.
Die anderen Häftlinge wurden weitergeführt und nach Männern sowie Frauen und Kindern getrennt. Familien wurden auseinandergerissen. Habseligkeiten wurden Ihnen abgenommen. Sie mussten sich ausziehen, ihre Haare wurden abgeschnitten und so wurden sie letztlich in die Gaskammern geführt. Die Türen wurden verschlossen, ein Verbrennungsmotor angeschaltet und giftige Abgase in die Gaskammern geleitet. Wer nicht dadurch verstarb wurde im Anschluss erschossen. Leichenkommandos bestehend aus anderen Häftlingen mussten dann die Leichen in die Massengräber bringen. Im Regelfall verging von der Ankunft eines Zugs im Lager bis zur Tötung der Angekommenen nicht mehr als etwa 1,5 Stunden.
Im Oktober 1943 wurde das Vernichtungslager Treblinka nach einem Aufstand, bei dem nur wenige Häftlinge flüchten konnten, abgebaut. Zur Tarnung wurde ein Bauernhof auf dem Gelände errichtet. Aber das Morden in den von den Deutschen besetzten Ländern ging weiter.
Es schmerzt, sich das Ausmaß der menschlichen Vernichtung immer wieder vorzustellen, sich in Erinnerung zu rufen und darüber nachzudenken. Und auch darüber zu lesen oder gar darüber zu schreiben ist nicht einfach. Genau deshalb haben wir uns dazu entschieden, nicht nur der Opfer zu gedenken, sondern auch wachzurufen, was geschehen war – auch wenn die Details verstörend sind. Dabei fasst sich dieser Artikel noch kurz. Unzählige Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden unter dem NS-Regime und dem ausgerufenen Vernichtungskrieg begangen.
Die Details des Ablaufs in Treblinka machen dies exemplarisch deutlich: Wie viel Planung, wie viele bewusste Entscheidungen, wie viel Streben nach höchstmöglicher Effizienz – was hier heißt möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit umbringen – und wie wenig Zufall hier zu finden ist. Wie viele Firmen und Personen beteiligt waren: von Architekten über Ingenieure und Arbeiter bis zur Logistik. Das war alles keine Ansammlung von Zufälligkeiten, sondern strenge Planung und Arbeitsteilung. Eindrucksvoll schildert dieses ebenso akribische wie entsetzliche Vorgehen auch der aktuelle Film zur Wannseekonferenz, der jüngst durch die Medien ging. Bürokratische Logik, industrielle Effizienz und Entmenschlichung. Nicht vorstellbar. Und doch geschehen. Und das alles vor weniger als 100 Jahren.
Wir gedenken der Entrechteten, der Gequälten und der Ermordeten: Der europäischen Juden, der Sinti und Roma, der Zeugen Jehovas, der Millionen verschleppter Slawen, der Zwangsarbeiter, der Homosexuellen, der politischen Gefangenen – darunter viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – der Kranken und Behinderten und all derer, die die nationalsozialistische Ideologie zu Feinden erklärt und verfolgt hat. Wir erinnern auch an diejenigen, die mutig Widerstand leisteten oder anderen Schutz und Hilfe gewährten.
Wir denken auch deswegen intensiv an sie alle, da Antisemitismus, Rassismus und Faschismus nicht verschwunden sind. Diese Einstellungen und Weltanschauungen sind nicht verschwunden. Es ist unerträglich, die AfD bei der Gedenkveranstaltung am selbigen Tag im Deutschen Bundestag auf ihren Abgeordnetenbänken zu sehen. Politische Morde sind zurück. Der NSU, Hanau, die Ermordung Walter Lübkes, Fackelmärsche und Anschlagspläne sind, so schmerzhaft und beunruhigend dies auch ist, Gegenwart – nicht Vergangenheit.
Wir müssen weiter wachsam bleiben. Geschichte kann sich wiederholen. Das darf sie aber nicht. Treten wir entschieden dagegen ein: Damit die Zukunft eine andere, eine bessere wird. Menschenrechte und Demokratie sind alles, aber nicht selbstverständlich.
Gegen das Vergessen! Nie wieder Faschismus!